Über die Schwierigkeit eines Mitglieds, einen Coronatest für seine kleine Tochter zu bekommen
Ein Mitglied unseres Vereins wurde Ende März krank. Da seine kleine Tochter eine schwere Stoffwechselkrankheit hat, wollte er unbedingt auf Corona getestet werden, um sie nicht zu gefährden.
Es folgte eine Odyssee. Der Hausarzt lehnte ab, die Hotline 116117 lehnte ab. Sein Zustand verschlechterte sich. Er rief den Rettungsdienst, der ihn schließlich in ein Krankenhaus einlieferte, wo er positiv auf Corona getestet wurde und mit relativ schwerem Verlauf 10 Tage stationär behandelt wurde. Seitdem versucht er, einen Test für seine Familie und vor allem seine kleine Tochter zu bekommen. Aber auch das Gesundheitsamt, an das wir uns im Auftrag des Mitglieds als Verein gewendet hatten, lehnt ab, da es keine medizinischen Hinweise gebe und psychologische Sorgen nicht ausreichen würden.
Wir haben in einem Bericht die Ereignisse und die Aussagen der Behörden geschildert. Er sagt auch etwas über die Testlage und das Verfahren der Behörden aus.
Der Bericht:
Unser Mitglied bekam Ende März Husten, Fieber und Durchfall. Der Hausarzt verschrieb Antibiotika und lehnte einen Corona-Test ab. Als die Symptome nicht besser wurden und unser Mitglied sehr geschwächt war, rief er bei der Corona-Hotline 116117 an, um getestet zu werden. Doch auch dort wurde ein Test abgelehnt, er würde nur getestet, wenn er Symptome und Kontakt zu einem positiv Getesteten gehabt hätte. Die Sorge unseres Mitglieds war sehr groß, weil seine kleine Tochter eine schwere chronische Krankheit hat – Glykogenose Typ 1b.
Diese Krankheit bringt ein geschwächtes Immunsystem mit
sich. Das ist auch der Grund, warum der Vater getestet werden wollte. Er hatte
sich sofort nachdem er krank wurde, in der Wohnung von seiner Familie isoliert.
Dennoch wurde er weder getestet, noch irgendwie versorgt oder beraten. Er
entschloss sich, den Notruf 112 zu wählen. Der Rettungsdienst verwies ihn
zunächst auf die Hotline 116117. Nachdem er berichtet hatte, dass er dort
abgewiesen worden ist, schwiegen die Sanitäter betreten und brachten ihn ins
Krankenhaus.
Dort wurde er mit einem positiven Ergebnis auf Corona behandelt.
Er blieb 11 Tage im Krankenhaus mit einem relativ schweren Verlauf. Dann wollten ihn die Ärzte entlassen, weil er
genesen sei. Das Ergebnis des letzten Tests lag aber noch nicht vor. Der
Familienvater wollte nicht entlassen werden, weil er seine Tochter nicht einem
Ansteckungsrisiko aussetzen wollte, was er den Ärzten auch mitteilte. Die Ärzte
entließen ihn trotzdem. Das Gesundheitsamt ordnete eine Quarantäne an, die
solange eingehalten werden solle, bis der Patient nicht mehr ansteckungsfähig
sei. Das Ergebnis des Tests war dann weder negativ noch positiv. Damit war für
unser Mitglied eine schlimme Situation eingetreten, weil er mit seiner Tochter
in einer Wohnung leben musste und dass obwohl er noch ansteckend sein könnte. Er
begab sich in ein Zimmer und gab seiner Frau Bescheid, wenn er das Zimmer
verlassen wollte, damit die Tochter nicht in seine Nähe kommt. Aber die ganze
Familie wurde nicht getestet, obwohl
sein Neffe, der in der gemeinsamen Wohnung lebt, ebenfalls Fieber hatte. Die
Sorgen der Familie sind groß.
Der Hausarzt und die Hotline 116117 lehnten Tests ab, weil
keine Symptome vorliegen würden. Dann kontaktierte er seinen Verein mit der
Bitte, ihm zu helfen.
Wir kontaktierten das Gesundheitsamt, das zwar über die
Erkrankung der Tochter informiert war, aber keinen Anlass sah, sich darum zu
kümmern.
Das Telefonat mit einer Ärztin des Gesundheitsamts ergab,
dass es angeblich keinen Grund zur Sorge gebe, weil der Vater nicht mehr
ansteckend sei. Wenn dann müsse er die Tochter zu Beginn der Erkrankung
angesteckt haben. Wenn diese in der Zwischenzeit keine Symptome gezeigt habe,
sei sie gesund. Die Ärztin wies auch darauf hin, dass es nicht weiter schlimm
sei, dass der Test vor der Entlassung nicht negativ gewesen sei. Denn diese
Tests seien ohnehin nicht aussagekräftig, da bei Abnahme der Viruslast andere
Tests vorgenommen werden müssten, die aber sehr aufwändig und teuer seien.
Die Annahme, dass nach 14 Tagen kein Ansteckungsrisiko mehr
vorliege, speise sich aber aus Erfahrungen. Tests während des
Krankenhausaufenthalts hätten gezeigt, dass die Viruslast abgenommen habe.
Allerdings sei die Datenbasis, auf der diese Annahmen beruhen, sehr dünn, weil
es noch zu wenige Erfahrungen mit dem Virus gebe. Den weiteren Umgang mit den
Infizierten überlasse das Robert-Koch-Institut den Gesundheitsämtern.
Laut Gesundheitsamt sei es jetzt aber vielleicht einfacher,
einen Test machen zu lassen, da sich die Richtlinien des Robert-Koch-Instituts
wöchentlich ändern würden und am Anfang sehr eingeschränkt waren, weil zu
wenige Testkapazitäten vorhanden waren. Nun gäbe es mehr Labore, die testen,
deshalb könnten auch Personen getestet werden, die nur Kontakt zu einem
Infizierten hatten oder nur Symptome haben. Auf unsere Frage hin, ob es denn
nicht ein Risiko sei, dem Menschen ausgesetzt werden, wenn nicht klar ist, ob
sie noch ansteckend sind, äußerte die Ärztin vom Gesundheitsamt, dann müssten
sie sich auf die Zeil stellen und alle testen.
Eine erneute Anfrage, warum denn ein Test für die Tochter
nicht vom Gesundheitsamt veranlasst werden könne, wurden wir auf den Hausarzt
und die Hotline 116117 verwiesen. Auf der Seite der Kassenärztlichen
Vereinigung ist aber ein eindeutiger Hinweis auf das Gesundheitsamt, das einen
Test veranlassen kann. Auf Nachfrage äußerte sich die Ärztin, dass keine
medizinische Induktion (Hinweis) vorliege, weil es keine Symptome gebe. Das
Gesundheitsamt könne nicht auf psychische Sorgen reagieren und Tests machen
lassen, sondern müsse sich an die Richtlinien halten. Sonst würde ihnen der
Laden um die Ohren fliegen. Die Familie solle sich an die Testcenter oder den
Hausarzt wenden. Oder direkt zu den Testcentern am Uniklinikum oder
Bürgerhospital gehen.
Der Vater will aber nicht zu den Testcentern direkt gehen,
weil er befürchtet, dass dort aufgrund hohen Menschenaufkommens eine
Ansteckungsgefahr droht. Seine Tochter wird im Klinikum aufgrund ihrer
Erkrankung immer in einem Einzelzimmer untergebracht und behandelt.
Also telefonierte die Familie. Der Hausarzt lehnte einen
Test und eine Überweisung ab, die Hotline 116117 verwies auf den Hausarzt. Das
Uniklinikum, wo die Tochter auch regelmäßig in Behandlung ist, verwies sie
ebenfalls darauf, das Testcenter direkt aufzusuchen.
Nun wird die Familie wenn die Quarantäne des Vaters beendet
ist, zum Testcenter gehen. Dort wird sie eventuell einen Termin bekommen und
dann zu einem späteren Zeitpunkt einen Test.
Sind die „psychischen Sorgen“, wie die Ärztin des
Gesundheitsamts sagte, unbegründet? Hat sie nicht selbst bestätigt, dass die
Annahmen bezüglich des Virus auf sehr dünner Datenbasis gemacht würden, weil es
zu wenig Erfahrung mit diesem Virus gibt? Hat sie nicht selbst zugstanden, dass
es effektivere Tests gibt, diese aber zu aufwändig – ergo zu teuer sind? Dass
die staatliche Behörde RKI zunächst kaum Tests empfohlen hatte aus einem
einzigen Grund, nämlich dem, dass nicht genug Kapazitäten vorhanden waren/sind,
also nicht aus medizinischen Gründen. Welche medizinischen Gründe sprechen also
gegen einen Test dieser Familie, dieses Kindes? Keine. Es sind „nur“
gesellschaftliche. Nämlich die, dass die Regierung es nicht für nötig empfunden
hat, rechtzeitig ausreichend Tests zur Verfügung zu stellen. Welche
medizinischen Gründe sprechen für einen Test? Viele, denn ein Risiko
ausschließen wollte auch die Ärztin des Gesundheitsamts nicht, nur dass sie die
Annahme, das Risiko sei klein als Tatsache behauptet hat.
Zeigt nicht allein der Umstand, wie kompliziert ist, sich
testen zu lassen, dass die Behörden viele Menschen in Sorgen lassen und dem
Risiko aussetzen? Wie kann es sein, dass Hausärzte, die Kassenärztliche
Vereinigung und das Gesundheitsamt nicht dafür sorgen, dass es mehr Tests gibt,
sondern dafür sorgen, dass wir akzeptieren, nicht getestet zu werden?
Die Regierung appelliert oft an unsere Verantwortung. Aber
wer übernimmt hier Verantwortung? Hat der Familienvater nicht voll
verantwortlich gehandelt, als er den Notruf gewählt hat, damit er als Kranker nicht
mehr mit seiner Tochter in einer Wohnung ist? Hat er nicht verantwortlich
gehandelt, als er sich in sein Zimmer einschließen ließ, um sie nicht zu
gefährden? Hat das Gesundheitsamt verantwortlich gehandelt, als es einen Test
der Tochter verweigerte? Hat die Regierung verantwortlich gehandelt, als sie empfahl,
man solle zu Hause bleiben, auch wenn man krank ist und auch wenn man positiv
getestet ist? Wir können uns langsam erklären, warum die Krankenhäuser
angeblich nicht überlastet sind.
Die Familie unternimmt alles, um das Leben der kleinen
Tochter zu schützen und wird dabei vor große Probleme gestellt.
Sie ist die jüngste Tochter der Familie, und alle versuchen
ihr ein schönes Leben trotz der Krankheit zu ermöglichen. Die Eltern wissen,
wie es ist ein Kind zu verlieren. In Afghanistan, ihrem Heimatland, starb eine
Tochter in den Armen des Vaters, als er sie zum weit entfernten Krankenhaus
bringen wollte, weil sie krank geworden war.