Bericht über einen Termin in der Ausländerbehörde
In der Gegenseitigen Hilfe erfuhren wir von dem Fall eines unserer Mitglieder aus Afghanistan. Seine Familie lebt seit über fünf Jahren in Deutschland, trotzdem bekommen sie keinen dauerhaften Aufenthalt. Wir versuchen herauszufinden, warum die Behörden der Familien das Recht verweigert und sind dabei mit Behörden-Schikane konfrontiert, während wir von einer Abteilung zur nächsten verwiesen werden.
Diesmal haben wir unseren Termin direkt in der Ablehnungsabteilung „C. Aufenthaltsablehnung“. Vor dem Büro unseres Sachbearbeiters steht bereits ein junger Afghane. Er hat seit einer halben Stunde einen Termin, aber auf sein Klopfen an der Tür antwortet niemand. Er ist ein Nervenbündel und traut sich auch nicht bei anderen Büros nachzufragen. Nachdem wir die Tür geöffnet haben, stellt sich heraus, dass der Raum leer ist. Anscheinend hat niemand es für nötig befunden, dem Wartenden mitzuteilen, dass sich sein Termin verzögert. Wir klopfen am benachbarten Büro, um nach dem Verbleib von Herrn H. zu fragen. Anstatt einer Antwort werden wir angeschnauzt: „Gehen sie sofort raus! Schließen Sie die Tür“ – „Aber wir wollten uns nur kurz erkundigen…“ „Sprechen Sie Deutsch? JA? Dann gehen Sie SOFORT raus!“
Schließlich verweist uns ein vorbeilaufender Mitarbeiter in den Warteraum.
Der junge Mann aus Afghanistan redet kurz mit uns, hier sei es immer schlimm, die Angestellten sehr unhöflich. Er sei zum fünften Mal hier und von ihm werden Papiere verlangt, die er aber nicht bringen kann. Er wirkt geknickt und mutlos.
Schließlich kommen wir an die Reihe. Zu unserer Überraschung sitzt im Büro vor uns ein Mann, der zu jung aussieht, um in einer Behörde zu arbeiten. Wir schauen uns ratlos an. Später erfahren wir von seiner Kollegin, dass er tatsächlich kein richtiger Mitarbeiter ist, sondern vom Polizeipräsidium kommt. Wegen Personalmangels seien anscheinend viele Stellen kurzfristig mit Leuten aus dem Präsidium gefüllt worden, die jeweils nur wenige Tage eingearbeitet wurden.
Wir erklären Herrn H. kurz warum wir da sind, während er die Notizen in der Akte zu unserem Fall liest. Dort steht u.a. wörtlich „Herr Z. hat nach eigener Angabe noch nie gearbeitet“. Dabei liegen dem Amt sogar Arbeitsverträge aus Deutschland von Herrn Z. vor.
Der Herr H. ist nett, aber hat keine Ahnung was er machen soll. Er holt seine Kollegin aus dem Nebenzimmer.
Wie schon bei unserem letzten Termin, möchte sie nicht in Diskussionen über Gesetze verstrickt werden. Aber sie erläutert uns, dass unsere Lesart von den Rechten der Familie unvollständig sei.
Vor allem müsse der Vater unbedingt arbeiten, um hier bleiben zu können. Zwar könne man die Beschäftigungspflicht für den Daueraufenthalt so nicht direkt im Gesetz finden, aber die Auslegungshinweise des Innenministeriums würden das eindeutig vorsehen. Die Aussagen der Anwälte, mit denen wir gesprochen haben, seien nicht besonders belastbar: “Anwälte wollen auch nur Geld verdienen”.
Warum die Familie keine schriftliche Ablehnung bekommen hat? Angeblich wegen Überforderung und Überlastung der Behörde. Durch eine Umstrukturierung seien mehrere Abteilungen zusammengelegt worden (so ist wahrscheinlich auch diese ominöse Ablehnungsabteilung zustande gekommen) und seitdem herrsche das Chaos. Außerdem sei, so lange wie möglich einen ungeklärten Status zu haben, schließlich besser für die Familie als ein Ablehnungsbescheid. Im Übrigen habe sie auch schon Familien abgelehnt, die bereits 12 Jahre in Deutschland gelebt hätten.
Wir fordern immer wieder eine schriftliche Ablehnung oder Abschrift ihrer Aussagen. Die Dienstanweisungen und Auslegungshinweise könne sie uns nicht geben, dafür aber telefoniert sie mit ihrer Kollegin Frau S. Frau S. ist diejenige, die uns letzte Woche so rüde abgebügelt hat. Nun ja, untereinander scheinen die beiden ganz liebenswürdig zu sein – und so erklärt sich das „Schätzchen“ am anderen Ende der Leitung bereit, unseren Fall „vorzuziehen“ und uns eine Liste mit den noch fehlenden Dokumenten für einen Daueraufenthalt zu schicken. „Nur ein Nachweis über einen 450 Euro Job würde doch schon reichen“, säuselt unsere Sachbearbeiterin, „dann wäre das mit dem Aufenthalt doch gar kein Problem“, aber ohne einen solchen drohe der Familie wohl die Abschiebung. Dass Herr Z. seit Jahren nach Arbeit sucht und außerdem einen vom Jobcenter verordneten Deutschkurs besuchte, interessiert sie so wenig wie Frau S. Beide sind überzeugt: jeder kann arbeiten, wenn er nur wirklich will.
Dass ihr nettes Gehabe nichts mit Menschenfreundlichkeit zu tun hat, wird uns spätestens dann klar, als sie wiederholt andeutet, die Familie könne nach Afghanistan abgeschoben werden. Wie das ginge, wenn der Vater doch einen britischen Pass besitzt? „Aber er hat ja auch noch den afghanischen“ argumentiert die Frau. Kann die Ausländerbehörde seit neustem also Menschen ihre europäischen Pässe aberkennen?
Nach unserem Termin ist Herr Z. ein wenig erleichtert. Wahrscheinlich, weil wir diesmal zumindest ein wenig freundlicher behandelt wurden und weil er auf den Brief hofft. Er überlegt, ob er nicht doch irgendeine Möglichkeit hat, irgendeinen noch so schlechten Job zu finden. Das sollte wohl auch die Wirkung dieses Gesprächs sein. Erst werden wir wie Menschen zweiter Klasse behandelt, um uns dann den Strohhalm der Beschäftigung zu reichen und die Menschen so unter starken psychischen Druck zu setzen, in ihrer Verzweiflung alles zu tun, um weniger Geld vom Staat bekommen zu müssen.