Redebeitrag von Zusammen e.V. zum 1. Mai 2013

Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat, Michelle Kiesewetter.

Das sind die Namen der vom NSU Ermordeten. Habt ihr sie schon einmal gehört? Sind die Gesichter euch genau so geläufig wie die der Mörder? Wahrscheinlich nicht. In den Medien tauchen sie kaum auf. Auch das gehört zur endlosen Reihe der Demütigung der Opfer und ihrer Familien. Wir sollen sie vergessen. Wir sollen nicht darüber nachdenken, dass Süleyman Tasköprü eine dreijährige Tochter hatte als er ermordet wurde. Was würde er heute mit seiner Tochter unternehmen? Vielleicht würden sie hier mit uns zusammen stehen, vielleicht würden sie einen schönen Ausflug machen. Wir vergessen sie nicht und wir kämpfen dafür, dass sie dem Vergessen entrissen werden. Auch deshalb stehen wir heute hier.

Denn wir wollen den Aufmarsch der Freunde und Unterstützer der Mörder verhindern. Dort, auf der anderen Seite der Absperrung wollen sie ihre Hetze, ihre Lügen und ihre Brutalität verbreiten. Sie ergreifen Partei für die Mörder und Terroristen. Sie verherrlichen die Bluttaten und besingen die Meuchelmörder auf ihren Feiern als Helden.

Es war schon immer klar und wird immer mehr Menschen bewusst: Faschisten vertreten keine Meinung – sie stehen für Verbrechen. Für uns ist deshalb klar: Für sie darf es keine Meinungsfreiheit geben. Für sie darf es keine Versammlungsfreiheit geben. Für sie darf es überhaupt keine Freiheiten geben. Wir meinen unsere Parole wörtlich: Kein Fußbreit den Faschisten!

Denn dort, wo sie sich zusammenrotten ist Mord und Totschlag nicht weit. Es ist wie Peter Gingold, der antifaschistische Widerstandskämpfer aus Frankfurt in seiner letzten öffentlichen Rede gegen einen Nazi-Aufmarsch in Fulda sagte: Es fängt immer mit Worten an und endet mit Krieg und Massenmord.

Vor uns stehen auch die Beschützer der Freunde des Terrors. Es sind die uniformierten Staatsdiener. Es ist die Polizei. Ohne ihr Aufgebot könnten die Nazis nicht hier sein. Die Mehrheit der Menschen in diesem Land würde sie vertreiben.

Die Polizisten kommen nicht von alleine hierher. Sie stehen hier auf Befehl.

Wer sind die Befehlsgeber der Beschützer? Es sind die Innenminister. Die Vertreter dieses Staates geben den Befehl, die Nazis zu schützen und ermöglichen ihnen den Aufmarsch. Aber nicht nur das. Der Inlands-Geheimdienst genannt Verfassungsschutz baute die NSU-Terroristen auf und ließ sie 10 Jahre im Untergrund morden. Er verfolgte und schikanierte stattdessen die Familien der Opfer. Das ist eine Schande und wir sind wütend über diesen Pakt des Verbrechens.

Es stellt sich die Frage: Warum? Warum dürfen die Faschisten morden, warum werden ihnen Geld und Waffen gegeben? Was ist das Ziel dieses Terrors?

Das Ziel sind wir. Wir, die absolute Mehrheit der Bevölkerung, die Arbeiter, Angestellten und Werktätigen. Wir sollen eingeschüchtert werden und Angst haben. Wir sollen uns misstrauen und auseinander getrieben werden.

Die Rechnung ist einfach: Teile und herrsche!

Die Rechnung ist brutal: Schockiere und lähme alle!

Wir sollen nichts unternehmen gegen das Unrecht, gegen die Verschlechterung unseres Lebens, gegen Lohndrückerei und gegen Armut.

Die Nazis sollen uns mit ihren Lügen verwirren und nicht mehr erkennen lassen, was ihr Ziel ist und wessen Auftrag sie erledigen. Heute wollen sie angeblich gegen die Europäische Zentralbank und gegen das Großkapital demonstrieren. Wir wissen aber: Sie sprechen nicht für die Interessen der Lohnabhängigen. Ganz im Gegenteil. Sie sprechen für die Herrschenden. Da können sie noch so viel von Widerstand und Sozialismus reden. Sie werden niemals gegen das Großkapital vorgehen. Sie wollen das Gegenteil: Unterordnung und Faschismus. Sie wollen den Kapitalismus retten.

Es ist heute wie damals vor 80 Jahren. Das Hauptziel der Faschisten war schon 1933: Der Weltkrieg. Für Rohstoffe, Absatzmärkte und billige Arbeitskräfte für die großen Konzerne sollte Krieg geführt werden. Die Garantie, dass es nicht zu Aufständen oder gar einer Revolution gegen den Krieg kommt, sollten die Faschisten mit ihrem Terror und ihren Lügen geben. Dafür wurden sie von Krupps, Siemens und Co. an die Macht gebracht.

Heute vor 80 Jahren sollten die Arbeiter und Angestellten gezwungen werden, den 1. Mai als „nationalen Tag der Arbeit“ zu begehen und sich der faschistischen Diktatur unterzuordnen. Viele weigerten sich und feierten illegal ihren 1. Mai als internationalen Arbeiter-Kampftag. Die Führung der Gewerkschaften wollte sich in den Staat eingliedern und rief zum 1. Mai der Nazis auf. Eine fatale Entscheidung mit schlimmen Konsequenzen. Ein entschiedener Widerstand zum Beispiel durch einen Generalstreik wurde verhindert.

Einen Tag später – am 2. Mai 1933 wurden die Gewerkschaftshäuser gestürmt und die Gewerkschaften zerschlagen. Tausende Gewerkschafter wurden in die KZs verschleppt und ermordet. Die größte Barriere gegen den Weltkrieg – die Arbeiterbewegung – wurde ausgeschaltet.

Es ist eine harte Lektion, die uns erteilt wurde und die Lehre, die wir daraus ziehen müssen ist die unbedingte Einheit aller Lohnabhängigen gegen den Faschismus.

Es ist kein Zufall, dass die Nazis heute am 1. Mai aufmarschieren wollen. Wie vor 80 Jahren wollen sie die Menschen für ihre Lügen gewinnen. Gerade die Arbeiter und Angestellten wollen sie gewinnen. Sie wollen uns gewinnen, um uns als Kanonenfutter in den Krieg zu schicken und jeden Widerstand auszuschalten.

Deshalb ist es so wichtig, dass wir heute hier stehen, um ihren Aufmarsch zu verhindern. Denn es ist unser 1. Mai und mit dem Faschistenpack verbindet uns nichts – aber auch gar nichts.

Wir gehen heute auf der ganzen Welt auf die Straße – für die Arbeiterrechte, für höhere Löhne, für kürzere Arbeitszeiten und für eine Gesellschaft ohne Krieg, Unterdrückung und Ausbeutung. Wir stehen hier für all das, was die Nazis bekämpfen. Und wir stehen in internationaler Solidarität. Wir denken an unsere Freunde in der Türkei, die am 1. Mai mächtige Demonstrationen durchsetzen. Wir denken an unsere Freunde in Griechenland, die gegen die kapitalistische Krise, gegen die Spardiktate der Mächtigen streiken. Wir denken an unsere Freunde in Frankreich, die bald einen Kampf gegen eine Agenda 2010 führen müssen. Wir können uns mit all den Kämpfen verbunden fühlen – wir haben dasselbe Ziel. Wir gehören zusammen und das feiern wir am 1. Mai.

Im Gedenken an alle Opfer faschistischer Gewalt.

In Verbundenheit mit den Familien der NSU-Opfer.

In Verbundenheit mit allen 1. Mai-Demonstrationen weltweit.

In der Gewissheit, dass wir die Mehrheit sind.

Sagen wir:

Nieder mit Faschismus

Nieder mit Krieg

Nieder mit Unterdrückung und Ausbeutung.

In stolzer Erinnerung an alle antifaschistischen Widerstandskämpfer.

In der Gewissheit, dass wir den Faschismus besiegen werden.

Sagen wir:

Es lebe der antifaschistische Widerstand.

Es lebe die Einheit aller Lohnabhängigen.

Es lebe die internationale Solidarität.

Es lebe der 1. Mai!

1. Mai 2013