Benni fragt: Warum?

Benni und  seine Mutter kommen mit der 1. Mai-Demonstration auf den Römer. Benni sieht viele Plakate auf denen „Mindestlohn“ steht. Da stellt er seiner Mama einige wichtige Fragen.

 

Warum wollt ihr einen Mindestlohn, Mama? Warum nicht den höchsten Lohn?

Du hast gut reden. Wir wären froh, wenn wir den Mindestlohn bekämen, der das Nötigste zum Leben abdeckt. Der Chef gibt uns doch nicht einfach den Lohn, den wir uns wünschen, sondern nur das, was er uns geben will. Oder besser gesagt, wozu wir ihn gemeinsam zwingen können.

Und wie wird die Lohnhöhe bestimmt?

Unsere Löhne werden nicht für unsere Arbeit oder gar für unsere Leistung bezahlt. Wie sollte auch die Arbeit eines Bauarbeiters mit der Arbeit eines Ingenieurs oder gar einer Sängerin in Zahlen verglichen werden? Wenn wir auch nur kurz darüber nachdenken, merken wir, dass das nicht möglich ist. Der wirkliche Wert der Arbeit, also seine Nützlichkeit, ist nicht in Geld zu messen.

Aber wie berechnet sich denn dann der Lohn?

Fangen wir mal ganz unten an, bei den Niedriglöhnen. Diese werden entsprechend des gesellschaftlichen Existenzminimums berechnet. Eigentlich ist das ja auch offensichtlich: die Menschen kommen gerade so über die Runden. Bei Familie und Kindern wird es schon schwierig. Der Unternehmer will ja nur, dass die Arbeiter am nächsten Tag zur Arbeit kommen. Bei einfachen Arbeitern ist es ihm fast egal, wer es ist. Bei komplizierteren Arbeiten zahlt er etwas mehr, weil er die Leute bei sich behalten will. Die haben nämlich Erfahrung im Betrieb und haben spezielle Kenntnisse.

Rechnet dann jeder Chef den Lohn für seine Arbeiter aus?

Nein. Den untersten Lohn gucken die sich bei der Arbeitslosen- und Sozialhilfe ab. Diese Summe bekommen ja Menschen, damit sie überleben. Für die Niedriglöhner gibt es dann etwas drauf, weil die müssen ja z.B. jeden Tag zur Arbeit fahren. Und auch das kostet Geld. Je niedriger also die Sozialleistungen vom Staat für Erwerbslose sind, umso mehr sinkt auch der Lohn. Die staatlichen Gerichte, die Regierungen und die Unternehmer versuchen immer, diesen Satz zu senken. So können sie auch den Lohn herabsetzen.

Und warum bekommen die Menschen nicht einfach mehr? Das wäre doch gerechter.

Naja. So einfach ist das nicht. Was für die Arbeitenden bezahlt wird, fehlt dem Unternehmer an Profit. Deshalb will er auch nicht mehr, sondern immer weniger bezahlen. Oder er versucht uns für das gleiche Geld mehr arbeiten zu lassen. Je länger wir schuften, springt am Ende des Tages mehr für ihn raus.

Aber wieso kann er das einfach machen?

Das ist wiederum eine Frage von Haben und Nichthaben. Der Unternehmer, Arbeitgeber, Kapitalist – nenn ihn, wie Du willst – besitzt nunmal nicht nur die Fabriken, die Maschinen, den Boden und Werkzeuge, er besitzt auch dazu noch soviel Geld, dass er sich mehr oder weniger Alles kaufen kann. Außerdem sind die viel besser organisiert, sie haben die Mittel und die Macht in dieser Gesellschaft.

Und woher haben die das alles her?

Das ist eine lange Geschichte. Sagen wir es mal so: die haben sich das bestimmt nicht selbst erarbeitet. Alles, was wir hier als Reichtum haben, ich meine die ganze Gesellschaft, das ist doch nur durch Arbeit entstanden. Und gearbeitet haben immer nur die, die keine andere Wahl hatten, weil sie sonst verhungert wären. Wer baut denn die Maschinen, die Autos und die Häuser, die Straßen und die Schulen, wer bringt den Strom und schafft den Müll weg? Und wer das dann besitzt, ist derjenige, der die Macht hat. Früher waren es Könige und Kaiser, heute sind es Konzerne und Banken.

Ich verstehe aber nicht, warum diese Menschen dann für ihn arbeiten, wenn er nicht bereit ist, mehr herzugeben?

Haben sie denn eine andere Wahl? Wenn jemand nichts hat außer seine Arbeitskraft, was soll er oder was soll sie denn machen? Die Mehrheit der Menschen hat doch kaum was anderes, als ein bisschen Klamotten und Möbel. Alles, was man verdient, braucht man ja zum Essen. Manche haben doch auch nicht einmal das oder nur schlechtes Essen.

Können wir die nicht bei den nächsten Wahlen einfach abwählen?

Das können wir ja versuchen. Aber ich garantiere dir, dass dann die nächsten eingekauft werden, die wir gewählt haben. Keiner gibt seine Macht und sein Reichtum einfach so ab. Die Kapitalistenklasse hat das nie gemacht und wird es niemals tun.

Aber was können wir dann tun? Sollen die Menschen zu Hause bleiben? 

Das geht ja gar nicht. Aber es gibt eins, was sie wirklich sehr stört, das ist der Streik. Um höhere Löhne zu bekommen, bleibt uns gar nichts anderes übrig als zu streiken. Aber auch demonstrieren und sich gemeinsam für unsere politischen Forderungen einsetzen ist wichtig. Am besten alles zusammen. Der 1. Mai ist ja genau so entstanden. Für den 8-Stunden-Tag haben an diesem Tag alle Arbeiter gestreikt, denn der 1. Mai war damals kein Feiertag.