„Das ist keine Bildung im Sinne des Gesetzes!“

Bericht von der Verhandlung zur Gemeinnützigkeit von Zusammen e.V.

 „Sie brauchen sich keine Hoffnung zu machen, ich werde im Sinne des Finanzamts entscheiden.“ Mit diesen Worten begann der Richter des Finanzgerichts die Verhandlung zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit des Vereins Zusammen e.V. Das Finanzamt Frankfurt hatte vor drei Jahren diese Entscheidung getroffen. Dagegen wurde Klage eingereicht, am vergangenen Donnerstag fand die Verhandlung statt. Aitak Barani, Vorstand von Zusammen e.V., war von dieser schnellen Entscheidung des Richters verdutzt, …

wollte aber die Gelegenheit nutzen, dem Gericht die Tätigkeit des Vereins näher zu erläutern. Sie betonte, dass die Vermittlung von Wissen über die Gesetze und ihre Entstehung sowie die eigenen Rechte ein wichtiger Bestandteil der Aktivitäten des Vereins ist und die Mitglieder bisher davon ausgegangen sind, dass dies Bildungsarbeit ist. Dazu zählen die gemeinsame Erarbeitung von gesellschaftlichen Zusammenhängen, beispielsweise wie der ALG II-Regelsatz berechnet wird und warum er zu Mangelernährung von Kindern führe. Damit war der Verein im Stadtteil, vor dem Jobcenter und an Schulen präsent. In der wöchentlich stattfindenden Beratung ist Bildung ein elementarer Bestandteil. Beispielsweise werden gemeinsam Hartz IV-Bescheide entschlüsselt – eine schwere Aufgabe auch für Menschen mit Hochschulabschluss. Die Prüfung von Arbeitsverträgen wird mit der Aufklärung über Arbeitsrechte und der historischen Errungenschaften der Arbeiterbewegung verbunden. Auch die Frage, wie überhaupt ein Lohn zustande kommt und wie der gesetzliche Mindestlohn eingeschätzt werden kann, ist Teil der Beratungs- und Bildungsangebote.

Die Antwort des Richters verblüffte die zehn anwesenden Mitglieder des Vereins: Dies sei keine Bildung im Sinne des Gesetzes.

Was demnach als Bildung anzuerkennen sei, ließ er unbewantwortet. Aitak Barani führte aus, dass der Verein seit Jahren die Geschichte des Stadtteils und der Arbeiterbewegung vermittele und dafür eine Bibliothek mit diesem Schwerpunkt aufgebaut habe, sowie Stadtteilspaziergänge zu historisch bedeutsamen Orten wie beispielsweise dem italienischen Kriegsopferfriedhof organisiere. Diese Aktivität sei vielleicht schon eher als Bildung anzuerkennen, so der Richter. Da sich das Angebot aber an die gesamte Öffentlichkeit richtet und nicht ausschließlich an Jugendliche und Alte, entspreche es nicht der Gemeinnützigkeit. So sei es in der Satzung festgelegt. Auf die Frage des Rechtsanwalts Markus Künzel, wie denn ein Verein garantieren solle, dass nur Junge und Alte zu einer Veranstaltung kommen und wo die Grenze zu „alt“ liege, schlug der Richter „überspitzend“ die Einrichtung von Türkontrollen vor. Der Hinweis von Aitak Barani, dass die Satzung mehrere als gemeinnützig anerkannte Zwecke auflistet und Jugend- und Altenhilfe nur zwei davon seien, die anderen Zwecke wie Bildung, Kultur und Erziehung sich aber keineswegs nur an Jugendliche oder Alte richten, wurde vom Richter konsequent ignoriert. Der Richter musste anerkennen, dass der Verein gemäß der Satzung handelt, konnte aber nicht begründen, warum sie nicht gemeinnützig sei. Der Verein könne das vielleicht anders sehen, er folge in seiner Entscheidung dennoch dem Finanzamt.

Im Zentrum der Verhandlung stand die Frage, was das Gericht als Bildung anzuerkennen bereit ist. Wenn Wissen zunächst den Mitgliedern und dann der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden würde, dann wäre das als Bildung zu sehen, konstatierte der Richter. Genau das entspricht dem Konzept der Begleitung zu Behörden, das als Tätigkeit besonders vom Finanzamt als nicht gemeinnützig angegriffen wurde. Die Schulung für Begleiter bei Zusammen e.V. beinhaltet eine überblicksmäßige Einführung in die Sozialgesetzgebung und die Rechte von Betroffenen und Begleitern. Dieses Wissen wird nicht nur an die zu Begleitenden weiter gegeben, sondern bei Aktionen und Informationsständen an alle Interessierten vermittelt. Dieses Wissen wollte der Richter aber nicht als Bildung anerkennen und bezeichnete es als „Lebenshilfe“ – ein weiterer Begriff, der ohne weitere Definition blieb. Auch der Hinweis des Anwalts auf den Begriff der Volksbildung, der laut Abgabenordnung eindeutig als gemeinnützig anerkannt ist, verpuffte.

 

Es entstand der Eindruck, dass das Gericht eben gerade die Vermittlung von Wissen über Gesetze, über ihre Entstehung und über die eigenen Rechte nicht als der Allgemeinheit dienlich anerkennen will. Der Ausschluss von Millionen Menschen, die nicht über ausreichende Bildung verfügen, um ihre Rechte zu erstreiten, die häufig von Niedriglohn, Armut und existentieller Not betroffen sind, scheint für das Gericht zur unvermeidlichen Normalität zu gehören. Sozialabbau und Entrechtung sollen ohne große Störung weiter gehen. Demokratie und Partizipation scheinen nur für wenige Privilegierte zu gelten. Die  Vereinsziele von Zusammen e.V. bleiben die gemeinsame Organisierung, Bildung, gegenseitige Hilfe und Solidarität. Die Verhandlung hat erneut gezeigt, dass dafür nicht nur Wissen nötig sei, sondern auch aktiver Protest und Widerstand.

Der Verein rechnet mit einem negativen Urteil, wie der Richter auch nach den ausführlichen Darlegungen zur Tätigkeit des Vereins noch einmal bekräftigte.