Kämpferische Demonstration für Aufklärung und Gerechtigkeit für Oury Jalloh
Mehr als 700 Menschen haben am 07.01.14 in Dessau für Aufklärung und Gerechtigkeit für Oury Jalloh demonstriert. Mit kämpferischen Redebeiträgen zogen die Demonstranten – darunter auch Mitglieder der „Gruppe Lampedusa“ aus Hamburg – vom Hauptbahnhof über den Sitz der Staatsanwaltschaft, das Amts- und das Landgericht zu der Polizeiwache, in der Oury Jalloh neun Jahre zuvor, am 07.01.05 bei lebendigem Leibe verbrannt wurde. Alle Behörden haben sich in ein Netz von Lügen, Vertuschungen und Einschüchterungen verstrickt. Von Anfang an wurde vermieden, was offensichtlich war: Wegen Mordes zu ermitteln. Ein grausames Verbrechen wurde verharmlost, das Opfer und seine Angehörigen verleumdet und die für Aufklärung kämpfenden Freunde verfolgt und traktiert, wie Aktivisten der Initiative Oury Jalloh vor der Staatsanwaltschaft betonten. Die Rufe „Shame on you“ schallten über den Platz vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft.
Nach neun Jahren unermüdlichen Engagements der Freunde von Oury Jalloh und ihrer Initiative liegen nun die Ergebnisse eines unabhängigen Brandgutachtens vor, das eindeutig zu dem Schluss kommt, ohne Fremdeinwirkung und Brandbeschleuniger kann Oury Jalloh nicht verbrannt sein. Es ist im Moment offen, ob der Generalbundesanwalt eine Anklage wegen Mordes erheben wird. Wenn ernsthaft ermittelt werden sollte, würden viele betroffen sein, die bis heute auf Vertuschung setzen: Die Staatsanwaltschaft Dessau, das Land- und Oberlandesgericht in Dessau und Magdeburg, die Richter, die bisher die Selbstverbrennungsthese übernommen hatten, und die Polizei und ihre Dienstherren. Oury Jalloh ist aufgrund des Kampfes von Mouctar Bah und vieler weiterer zu einem beispiellosen Präzedenzfall geworden. Auf der Anklagebank sitzen der deutsche Staat und seine Vertreter, auf der Anklagebank sitzen der Kolonialismus und die Unterdrückung der afrikanischen Völker. Vor dem Amtsgericht rief ein Aktivist der Initiative, dass kein Mensch von diesem System Schutz und Gerechtigkeit zu erwarten habe. Wenn Flüchtlinge sich nicht zusammenschließen und organisieren, um sich zu schützen, werde es viele weitere Oury Jallohs geben. Aufgabe sei nun die Organisierung von Selbstschutz von Flüchtlingen hier und des Kampfes um die Befreiung Afrikas von den seit Jahrhunderten andauernden kolonialen Verbrechen. Die Flüchtlinge folgten den ausgebeuteten Rohstoffen und Reichtümern ihres Kontinents. Es ist ihr absolutes Recht, dorthin zu gehen, wo sie möchten. Die für die Verbrechen Verantwortlichen können dagegen sicher sein, vor ein afrikanisches Gericht gestellt zu werden, das wirklich im Namen der Völker urteilen und sie für ihre Taten bestrafen wird. Nach einer Kundgebung in Gedenken an den in Dessau von Nazis ermordeten Alberto Adriano zog die Demonstration, an der sich auch Vertreter der Gruppe Lampedusa aus Hamburg beteiligten, zur Polizeiwache Dessau.
Die bisher größte Oury-Jalloh-Demonstration hat ein wichtiges Zeichen gesetzt: Immer mehr Menschen unterstützen die Flüchtlinge in ihrem Kampf und erkennen, dass es auch ihr Kampf, dass es ein gemeinsamer Kampf ist. Rund 30 Menschen sind aus Frankfurt nach Dessau gefahren. Das war ein guter Schritt nach vorne, der im nächsten Jahr vergrößert werden sollte. Ein großer Dank geht an die Spenderinnen und Spender, die die Finanzierung des Busses unterstützt haben.