Sind die Lohnerhöhungen ausreichend?

Wird die Inflation ausgeglichen?
Seit Jahresbeginn gab es mehrere Tarifverhandlungen mit Warnstreiks. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, bei der Post und in der Metall- und Elektrobranche haben für höhere Löhne gekämpft, hunderttausende waren in Warnstreiks. Die Ergebnisse der Tarifverhandlungen liegen wenn man sie auf die monatliche Erhöhung runterrechnet bei 2,6 % (Post), 2,8 % (öffentlicher Dienst) und rund 3 % (Metall und Elektro). Sind die Lohnsteigerungen ausreichend? Die Inflationsrate liegt aktuell bei 2 % – aber für Fleisch zum Beispiel bei 5,4 %. Was meinen wir überhaupt mit ausreichend. was wurde wieviel teurer und  und welche Produkte sind für die Arbeiter und Angestellten wichtiger als andere?

Der Lohn soll mindestens die Lebenshaltungskosten auf dem aktuellen Stand erfüllen. Das heißt für eine entwickelte Industriegesellschaft, dass auch Urlaub, Auto und Kultur dazu gehören. Auch die Ernährung und Erziehung von Kindern gehört zu den Lebenshaltungskosten dazu. Das statistische Bundesamt hat im Januar 2013 den Verbraucherpreisindex veröffentlicht. Darin sind viele Waren und ihre Preisentwicklung aufgeführt. Der Jahresdurchschnitt von 2011 wird mit dem von 2012 verglichen. Daraus geht hervor, dass die Teuerungsrate des Gesamtindex von 2011 auf 2012 bei 2 % liegt. Das würde bedeuten, dass alle drei Abschlüsse die Preissteigerungen ausgleichen. Allerdings sind im Gesamtindex sehr verschiedene Waren enthalten, von Lebensmitteln bis zu Studiengebühren. Die Waren, die für den täglichen Bedarf wichtig sind, weisen eine höhere Preissteigerung auf. Nahrungsmittel sind um 3,2 % teurer geworden, Fleisch und Fisch sogar um 5,4 % und Obst wurde um 4,4 % teurer. Ein weiterer wichtiger Posten, der für alle Lohnabhängigen immer mehr auf den Geldbeutel schlägt ist die Haushaltsenergie. Strom wurde um 2,8 % und Gas um 5,5 % teurer. Für Autofahrer wurde hat das Benzin 5,7 % mehr gekostet, für Bahnfahrer haben die Tickets 3,1 % mehr Geld gekostet.

Der Durchschnitt ist ja niedriger als die bisher genannten Posten. Wo gab es also Verbilligungen? Der deutlichste Preisrückgang ist mit -12,3 % beim „Bildungswesen“ zu finden. Das kommt daher, dass die Studiengebühren abgeschafft wurden. Das freut uns sehr, es hat aber leider mit den Löhnen und Ausgaben der meisten Arbeiter und Angestellten nicht so viel zu tun. Steigerungen unter dem Durchschnitt, also unter 2 % sind vor allem Haushaltsgeräte (1 %) und langlebige Gebrauchsgüter (0,2 %). Damit meint das Statistische Bundesamt: „Dauerhafte (beziehungsweise langlebige) Gebrauchsgüter haben eine gewisse Ähnlichkeit mit den Investitionsgütern, da Ersatzbeschaffungen oft hinausgeschoben werden können (zum Beispiel bei Einkommensrückgängen oder pessimistischen Einkommenserwartungen), ohne dass die Versorgung der Haushalte merklich beeinträchtigt wird.“ Die Nettokaltmiete stieg von 2011 bis 2012 im Bundesdurchschnitt nur um 1,2 %. Das gilt nicht für die großen Metropolen, in denen die meisten Menschen und vor allem die meisten Arbeiter und Angestellten leben. Dort sind die Mieten zumindest für Neuvermietungen teilweise um 10 % gestiegen.

Insgesamt lässt sich sagen, dass die erkämpften Lohnsteigerungen die Inflationsrate nur bedingt ausgleichen. Wenn die Preise innerhalb der langen Laufzeiten der Abschlüsse deutlicher ansteigen, findet erneut ein Reallohnverlust statt. Das heißt, dass die Arbeiter und Angestellten real weniger in der Tasche haben als zuvor. Für viele Arbeiter und Angestellten werden sehr viel niedrigere Löhne gezahlt – immer mehr müssen ergänzende Leistungen vom Jobcenter beantragen. Deshalb sind die erkämpften Lohnsteigerungen in großen Branchen für alle Arbeiter und Angestellten wichtig. Wenn es gelingt in Lohnkämpfen die Preissteigerungen wettzumachen, ist das schon ein Erfolg. Aber eine wirkliche Lohnerhöhung ist es noch nicht. Denn de facto ermöglicht es nur, die Produkte, die zum Leben nötig sind auch weiterhin kaufen zu können. Bei den diesjährigen Lohnsteigerungen fällt ins Auge, dass sie nicht viel mehr als die Preissteigerung abdecken können, denn all zu hoch sind sie nicht. Aber es stellt sich sogar die Frage, ob selbst das der Fall ist.

Allein in der dritten Verhandlungsrunde der Metall- und Elektrobranche haben nur in Bayern 180.000 Arbeiter gestreikt. Eine gute Mobilisierung und eine gute Stimmung. Insgesamt haben 750.000 Metaller gestreikt. Wäre mehr möglich gewesen? Hätten sie die 5,5 % für 12 Monate durchsetzen können? Die Kollegen der Luftsicherheit an den Flughäfen haben es vorgemacht und eine Steigerung um 14 % erreicht. Der IG Metall-Vorsitzende Huber wollte aber lieber „Verlässlichkeit“ gegenüber den Unternehmern zeigen. Dafür bekommt er nun auch sehr viel Lob – vom Kapital. Das konnte übrigens in der Metall- und Elektrobranche seine Gewinne auf 37,1 Milliarden Euro steigern. Eventuell wird der Vorsitzende der größten Einzelgewerkschaft der Welt in die Geschichte eingehen: Ein Vorsitzender ohne einen einzigen Erzwingungsstreik (unbefristeten Streik im Gegensatz zum befristeten Warnstreik). Wir wünschen uns und allen Kollegen Zuversicht in unsere Kampfkraft. Es wäre mehr möglich gewesen – erst recht, wenn die Lohnkämpfe synchronisiert gewesen wären und einen ökonomischen aber auch psychologischen Verstärkungseffekt hätten bringen können. Nach dem Abschluss ist vor dem nächsten Streik…;-)