Nach Kritik an unserer Kampagne zur Kommunalwahl, sie rufe zum Wahlboykott auf, wollen wir dazu folgende Stellungnahme veröffentlichen (hier auch als pdf): Zusammen e.V. ist ein Verein, der Lohnabhängige im Stadtteil organisiert. Viele unserer 140 Mitglieder sind von Erwerbslosigkeit, Niedriglohn, Wohnungsnot und Aufenthaltsproblemen betroffen. Unsere Ziele sind die Aufklärung über die eigenen Rechte und gesellschaftlichen Verhältnisse sowie gemeinsames solidarisches Handeln. Wir denken, dass nur wenn Lohnabhängige ihre Interessen erkennen und sich zusammenschließen, sie sich gegen die Angriffe wehren können.
Viele Menschen kämpfen um existentielle Rechte: Ein Dach über dem Kopf, ein Lohn, der zum Leben reicht, einen gesicherten Aufenthalt. Wir machen uns und unseren Mitgliedern keine Illusionen darüber, dass dieser Kampf sehr schwierig zu gewinnen sein wird. Er setzt voraus, dass man erkannt hat, in welcher Lage man sich befindet, welche gesellschaftlichen Kräfte den eigenen Interessen entgegenstehen und er setzt voraus, dass man sich solidarisch organisiert und handelt. Deshalb nähren wir auch nicht die Illusion, dass die Wahl einer Partei die Lösung ist.
Zur Kommunalwahl haben wir deshalb eine Kampagne gestartet, die nicht nur die Frage aufwirft, ob wir eine Wahl haben, sondern auch unser Ziel propagiert, nämlich sich zu wehren. Nicht nur unser Verein, sondern sehr viele Wahlberechtigte stellen sich die Frage, ob sie die Wahl haben und immer mehr beantworten sie mit Nein und gehen nicht zur Wahl. Aus der Sicht von Lohnabhängigen sieht die Parteienlandschaft nicht rosig aus. Alle bisher an Regierungen beteiligten Parteien haben die Politik gegen den Großteil der Bevölkerung fortgesetzt. SPD und Grüne mit Hartz IV, Verschärfung der Aufenthaltsgesetze, Kriegsführung und riesigen Steuergeschenken für das Kapital. SPD und CDU/CSU mit der Rente mit 67, Erhöhung der Mehrwertssteuer und der Schuldenbremse, CDU/CSU und FDP mit erneuten Steuergeschenken für die Unternehmen, Gesetzen gegen Mieterrechte und „Rettungsschirmen” für marode Banken auf Kosten der Lohnabhängigen.
Seit 2005 tritt die Partei DIE LINKE (PDL) zu Wahlen an, zum Teil ist sie an Landes- und Stadtregierungen beteiligt. Sie nimmt für sich in Anspruch, eine Alternative zu den anderen Parteien zu sein. In Frankfurt sind wir an den Punkten, wo es gemeinsame Forderungen gibt, zu einem Bündnis mit der PDL bereit. Das heißt aber nicht, dass wir unreflektiert zur Wahl dieser Partei aufrufen können. Dazu drei Beispiele.
1. Wenn wir mit unseren von Wohnungsnot betroffenen Mitgliedern reden, machen wir ihnen nicht nur die Wohnungspolitik der Stadt und die damit verbundenen Interessen der Vermieter und Immobiliengesellschaften deutlich, sondern auch, dass die PDL richtige Forderungen aufstellt. Wir machen ihnen aber auch deutlich, dass dies noch lange nicht heißt, dass damit das Problem gelöst werden kann. Zum einen zeigt die Erfahrung, dass auch die PDL wenn sie an der Regierung beteiligt ist, die unsoziale Politik fortsetzt – auf Länderebene wie in Berlin und in Brandenburg, aber auch auf kommunaler Ebene wie in Dresden. Wenn die PDL in einer Koalition mit der SPD in Frankfurt die ABG-Holding anweisen würde, wieder mehr Sozialwohnungen zu bauen, wäre das unbestritten ein Fortschritt. Aber wäre das Problem damit gelöst?
2. Eine richtige Forderung gegen Niedriglöhne ist ein gesetzlicher Mindestlohn von 10,- € steuerfrei. Die PDL stellt diese Forderung auf (ohne Steuerfreiheit). Sie bezeichnet dies aber als „menschenwürdig” und „Kurswechsel zu einer solidarischen und sozial gerechten Gesellschaft”. Diese Illusion können wir nicht verbreiten. Ein gesetzlicher Mindestlohn kann nur ein halbwegs erträgliches Existenzminimum von Lohnabhängigen sichern und die Spirale nach unten bremsen.
3. Die Kriegspolitik der Bundesrepublik zerstört die Länder, aus denen viele unserer Mitglieder kommen, wie z.B. Afghanistan. Die PDL fordert als einzige im Bundestag vertretene Partei den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Darüber klären wir auf, aber auch darüber, dass es auch in dieser Partei Kräfte gibt, die den Anti-Kriegs-Kurs ändern wollen, wie jüngst in der Abstimmung im EU-Parlament zu Libyen zu sehen war. Dieser Partei einfach die Stimme zu geben oder auch nicht, ändert daran nichts. Nur die gemeinsame und konsequente Organisierung von unten kann Druck entfalten – auf alle Parteien.
Es ist also nicht falsch, zum Beispiel in Frankfurt die PDL zu wählen, wenn sie gute Forderungen aufstellt. Aber es wäre falsch, die Illusion zu verbreiten, dass damit Probleme gelöst werden können. Die SPD gaukelt immer noch vor, eine soziale Partei zu sein und einige fallen darauf rein. Für die PDL in Berlin gilt dasselbe. Sollen wir uns selbst und unseren Mitgliedern etwas vormachen, anstatt uns aufzuklären und uns im Kampf um unsere Rechte zu stärken?
Unsere Kampagne ist nicht anti-parlamentarisch oder allgemein gegen Parteien gerichtet. Es wäre auch eine Illusion zu glauben, eine Bewegung allein richte schon alles aus. Die Rechten und ihr antidemokratisches Gerede vom „direkten Volkswillen gegen die Parteienmacht” müssen bekämpft werden. Wir hoffen, mit unserer Kampagne Menschen anzusprechen, die kritisch oder schon desillusioniert sind und sich offen zeigen für den Vorschlag der gemeinsamen solidarischen Organisierung. Dabei werden wir auch in Zukunft Bündnisse eingehen, wo sie sinnvoll sind und Kritik üben, wo sie nötig ist.